Lou Jaworski bei De Martino

Entdeckungen in Spiegel und Raster

von Achim Manthey

"Mount XXI, 2010 (c) Lou Jaworski, courtesy De Martino Gallery

Die Ausstellung "Stripping The Past" zeigt Arbeiten des Fotografen Lou Jaworski. Sie schwanken zwischen Halluzination und Originalität - und täuschen mehr vor, als dahinter ist.

Es erinnert ein wenig an den alten Rorschach-Test, diese in der Psychologie angewandte psychodiagnostische Testmethode, in der Farbe in eine Papierfalz gegeben und das Blatt dann gefaltet und händisch bearbeitet wird, wodurch tatsächlich Kleksographien genannte Bilder, oft in Schmetterlingsform entstehen, aus denen die Fachleute dann Schlüsse auf die Gesamtpersönlichkeit des Probanden ziehen. Auch in der Schule war das früher ein Spass, allerdings ohne therapeutischen Hintergrund.

Für die Serie "Mount" war Lou Jaworski 2010 in den Alpen unterwegs. Mit jedem Höhenmeter wird da die Luft dünner, ändern sich Perspektiven und Gefühle, verschwindet das, was zurückbleibt, wird nichtig und klein, formt sich im Blick nach vorn, nach oben ein endlicher neuer Moment. Diese oft nur kurzen Empfindungen versucht der Künstler im Foto sichtbar zu machen. Durch eine vor die Kamera montierte Apparatur doppelt, verspiegelbildlicht er die Szene. Es entstehen seltsame Bilder. In tiefem Blau löst sich eine Gebirgssiluette mit vorgelagerter Schneelandschaft auf, durch die sich Rinnen und Rillen wie Adern  ziehen. Horizonte doppeln sich durch Schlagschatten, ein Schaf grast kopfüber. Die Fotografien zeigen keine Grenzlinien, wo die Spiegelung beginnt. Es entsteht eine Art Niemandsland. Fast scheint es, als halluziniere der Bildermacher in der Höhenluft.

Serie I, 2012 (c) Lou Jaworski, cortesy De Martino Gallery

Lou Jaworski wird 1960 in Polen geboren. 1990 übersiedelt er mit seiner Familie nach Deutschland. Studium in Kommunikations-Design in Italien, seit 2008 der Fotografie an der Akademie der Bildenden Künste in München, wo er lebt und arbeitet.

Ideen muss man haben. Unter diesem Motto könnte der zweite Teil der Ausstellung stehen. Alte Fotopostkarten aus dem 19. Jahrhundert im Format 5x7 Millimeter hat der Künstler im Scan stark vergrößert und eine Wanderschaft durch die dargestellten Szenerien begonnen. Signifikante, auf den Originalen nicht erkennbare Nebenschauplätze und Randfiguren werden sichtbar, die Jaworski herausgeschnitten hat aus dem Ganzen der Abbildung. Da sitzt ein Mann auf einer Mauer, ein Bäcker flaniert über den Montmatre in Paris oder allegorisch dargestellte junge Frauen werfen Schatten an eine Wand. Großformatige Siebdrucke erhellen und verbergen zugleich, führen durch die Sepiafärbung zurück in die Zeit, in der die Aufnahmen entstanden.

Das ist nett anzuschauen, gefällig, originell und auch in der Kargkeit der Bergimpressionen zuweilen dekorativ. Mehr aber auch nicht. Wenn die Vermittlung von Empfindungen durch Technik manipuliert wird, wird Vorsatz erkennbar - auch dies ist eine Form der Sinnestäuschung.

Bis zum 20. April 2013 in der De Martino Gallery, Theresienstraße 56 b in München, Mi-Sa 12-18 Uhr, Do bis 20 Uhr, Eintritt frei.

 

Veröffentlicht am: 25.03.2013

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