McCullers "Ballade vom traurigen Café" am Resi

Das klare Licht der Einsamkeit

von Michael Weiser

Noch Fragen? Juliane Köhler leuchtet Michele Cuciuffo heim (Foto: Thomas Dashuber)

Großes Kino im Resi: Walter Meierjohann bringt Carson McCullers "Ballade vom traurigen Café" in Edward Albees Bearbeitung wie einen Kinofilm auf die Bühne - und heimst langen Beifall vom Abo-Publikum ein.

Man kann sich die Akteure in dieser Geschichte von Carson MCullers vorstellen wie elektrisch geladene Teilchen. Sie stoßen sich ab und ziehen sich an, aus dem Zusammenprall resultieren die seltsamsten Folgen. Nachdem die spröde Miss Amelia (Juliane Köhler) die bucklige Verwandschaft aufgenommen hat (Markus Hering als Vetter Lymon), wird aus ihrem Laden ein Café und daraus der pulsierende Mittelpunkt der kleinen Stadt. Doch dann kommt einer rachsüchtig zurück, der mal eine Rolle in ihrem Leben hatte spielen wollen - und dieser Konflikt entlädt sich in Gewalt. Aus ist's mit dem Café, in dem die Menschen bei viel Whiskey mal ihre Einsamkeit vergessen konnten.

Ein Provisorium als Heimat: Miss Amelias Café (Foto: Thomas Dashuber)

Walter Meierjohanns Breitwand-Inszenierung am Residenztheater besticht mit einer wunderbaren, klaren Lichtregie, die die Weite des amerikanischen Nirgendwo ebenso gut abbildet wie die Gefühlslage der Städter im Café (Licht Gerrit Jurda). Die Bühne (Johanna Pfau) ist schlicht gehalten, ein eindrucksvoller Spielplatz für das Drama.

Das aber hat leider in dieser Inzszenierung seine Schwächen. Dass sich Miss Amelia an Tunichtgut Marvin Macy (Michele Cuciuffo) reibt, dass aus dieser Reibung sich kurz Hitze entwickelt - das mag noch angehen. Warum sie ihm aber das Ja-Wort gibt, nur um ihn dann wie Dreck zu behandeln: Dies bleibt unerzählt. Ebenso, was Marvin an dieser Frau anziehen könnte.

Was sich liebt, das neckt sich: Markus Hering, Michele Cuciuffo, August Zirner (Foto: Thomas Dashuber)

Warum Vetter Lymon sich so an Marvin heranschmeißt, ist ebenfalls so ein seltsam Ding: Die Allianz der beiden bleibt schräg.

Die Leistung der Schauspieler: gediegen bis sehenswert. August Zirner gibt den Erzähler Henry Macey routiniert, Cuciuffo überzeugt als Rauhbein Marvin. Markus Hering glänzt nach seiner Paraderolle als Zettel im "Sommernachtstraum" als verwachsener Lymon und entwickelt sich zu einem Zuschauerliebling. Juliane Köhler hätte man gerne mit etwas mehr Abwechslung gesehen. So aber spielt sie die Spröde mit einer geradezu ermüdenden Hartnäckigkeit. Einmal entdeckt sie den Charme am Spiel mit Rauhbein Marvin - da wird mal für ein paar Sekunden erahnbar, warum sich diese Partikel doch anziehen könnten. Am Ende eines mitunter behäbigen Abends langer, lauter Beifall.

Veröffentlicht am: 18.03.2013

Über den Autor

Michael Weiser

Redakteur, Gründer

Michael Weiser (1966) ist seit 2010 beim Kulturvollzug.

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