"Seelenkind" im Freisinger Diözesanmuseum

Das göttliche Kind als Seelentrösterlein

von Angelika Irgens-Defregger

Bombstisch geschmückt aus purer Verehrung (Foto: Diözesanmuseum Freising/Thomas Dashuber)

Die Ausstellung "Seelenkind. Verehrt, verwöhnt, verklärt." im Diözesanmuseum Freising zeigt verborgene Schätze der Christkindverehrung in bayerischen Frauenklöstern.

"Joseph, lieber Joseph mein, hilf mir wiegen mein Kindelein", heißt es in einem der ältesten deutschen Weihnachtslieder aus dem 14. Jahrhundert. Seit dem Mittelalter begleiteten die kirchlichen Gottesdienste auch geistige Spiele. Dazu gehörte das rituelle Wiegen des Christkindes, das bereits zum klösterlichen Brauchtum gehörte, noch bevor es sich aus dem szenenreichen Weihnachtsspiel herauslöste und Eingang in den häuslich-privaten Bereich fand.

Wer es sich leisten konnte, legte sich das bis zu den Schultern in Windeln gewickelte, so genannte "Fatschenkind", prunkvoll geschmückt mit Perlen, Brokat und Seidenstoffen, in eine Wiege, die mittels langen Bändern zum Schaukeln gebracht wurde. Dazu wurden Schlummerlieder gesungen. Verbreitet war auch die staubfreie Aufbewahrung derartiger Wickelkinder in einem schreinartigen Glaskasten, der bühnenhaft als Miniaturlandschaft ausgestaltet wurde.

Detail eines bestickten Jesuskind-Kleidchens (Foto: Diözesanmuseum Freising/Daniel Kraus)

Auch außerhalb der Weihnachtszeit wurden sitzende und stehende Christuskind-Figuren aufwändig inszeniert und spielten hinter bayerischen Klostermauern eine wichtige Rolle. Novizinnen erhielten bei ihrem Eintritt ins Kloster von ihren Familien quasi als Mitgift eine nackte, oft segnende Christusfigur aus Holz, Wachs oder Ton geschenkt. Als Ersatz für ein eigenes Kind wurde dieses lebensnah im Kindchenschema gestaltete "Seelentrösterlein" - auch "himmlischer Bräutigam" oder "himmlischer Hausherr" genannt - in einer Mischung aus kindlichem Spiel, mütterlicher Zuwendung und frommer Andacht von den Klosterfrauen liebe- und hingebungsvoll umsorgt. Zu den Klosterarbeiten der Ordensfrauen gehörte die komplette Einkleidung des nackten Jesusknaben. Maßstabsgerecht wurden kostbare Gewänder, Schuhe, Hauben und andere Accessoires in der entsprechenden Farbigkeit des Kirchenjahres gefertigt. Zur kompletten Ausstattung des göttlichen Kindes - insbesondere für seinen Ehrenplatz im Refektorium - zählten auch Miniaturmöbel und Spielzeuggeschirr.

Wer jetzt den steilen Domberg in Freising erklimmt und die mit rund 200 Leihgaben bestückte Ausstellung "Seelenkind. Verehrt, verwöhnt, verklärt" im Diözesanmuseum besucht, kann die ganze Bandbreite der Christkinddarstellung fern des üblichen Klischees eines vom Konsumrausch vereinnahmten Gabenbringers bestaunen und gleichzeitig in die Welt von Ordensfrauen blicken, die zeitlebens mit dem Seelenkind als emotionalem und spirituellem Bezugspunkt in klösterlicher Abgeschiedenheit lebten.

Jesuskind aus dem Ursulinenkloster Landshut, 18. Jh. (Foto: Diözesanmuseum Freising/Thomas Dashuber)

Erste Darstellungen des eineinhalbjährigen Jesusknaben reichen zurück bis ins frühe Mittelalter und wurzeln in Offenbarungen von Mystikern und Mystikerinnen wie Bernhard von Clairvaux, Franz von Assisi, Brigitta von Schweden und Margareta Ebner. Einen Höhepunkt erreichte die Christkindverehrung im Barock. Einige Andachtsbilder sind in ihrem Naturalismus kaum zu überbieten, darunter auch jenes "Passionskindl", das mit seinem Attribut, dem Arma-Christi-Kreuz, unmissverständlich auf seine zukünftige Bestimmung als Gekreuzigter hinweist.

Manche wurden zu berühmten Gnadenbildern stilisiert, wie das Loretokindl in Salzburg, das Prager Jesulein, die Christkinder von Reutberg oder Altenhohenau. Prominent geworden ist das so genannte Columba-Kindl, eine spätgotische Skulptur des Meisters aus Seeon, das noch heute im Dominikanerinnen-Kloster Altenhohenau als wundertätiges Gnadenbild verehrt wird - der Legende nach eilt es mit verschlissenen Schuhen durchs Kloster, um alle Nonnen zu segnen.

Bis zum 10. Februar 2013 im Diözesanmuseum Freising, Domberg 21, Di-So 10-17 Uhr. 24./25. und 31.12.2012 geschlossen, Katalog 44 Euro.

Veröffentlicht am: 23.12.2012

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Angelika Irgens-Defregger

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